Archäozoologie

Bei der Bearbeitung von Skelettfunden aus archäologischen Ausgrabungen blicken wir von Terra Mare auf fast 30 Jahre Erfahrungen zurück.

Die Grundlage der archäozoologischen Arbeit ist die tierartliche Bestimmung der Knochenfragmente. Soweit als möglich wird jeder einzelne Skelettfund einer Tierart zugeordnet. Zu den weiteren Parametern gehören das Skelettelement, die Körperseite, der Fragmentationsgrad und das Einzelgewicht. Zudem kann das Sterbealter und das Geschlecht ermittelt werden. Die Leistungsfähigkeit archäozoologischer Methoden geht jedoch weit über die Erhebung dieser Basisdaten hinaus.

Die folgenden drei Beispiele zeigen links das Röntgenbild eines Hundeunterkiefers von der kaiserzeitlichen Wurt Feddersen Wierde mit ausgebrochenem Molar, in der Mitte das Skelett eines Pferdes auf einer Ausgrabungsfläche in Bayern und rechts das Fragment einer importierten Herzmuschel aus einer römischen Villa rustica in Bayern.

Unsere Bearbeitungszeit für die Materialbestimmung beträgt maximal 6 Monate.

Die wichtigsten archäozoologischen Parameter sind die Knochenfundzahl (KNZ), das Knochengewicht (KNG) sowie die Mindestindividuenzahl (MIZ). Sie geben eine erste Auskunft über das Material.

Die Knochenfundzahl entspricht der Menge der insgesamt oder der einer Tierart gefundenen Skelettfragmente. Sie steht in unmittelbarer Abhängigkeit zum Zerschlagungsgrad der Knochen sowie zur Bodenerhaltung und Grabungstechnik. Besonders bei Ausgrabungen unter ungünstigen Bedingungen können Skelettelemente zerbrochen werden und vergrößern somit rezent die KNZ. Ebenso spielt die ursprüngliche Individuengrösse des Tieres eine wichtige Rolle. Oftmals ist zu beobachten, dass die Knochen kleinerer Tierarten weniger zerschlagen wurden. Eine mögliche Erklärung hierfür wäre die Portionierung und die Nutzung des Knochenmarks großer Tiere. Zudem können die Skelettelemente kleiner Arten bei Ausgrabungen leicht übersehen werden. Hiervon sind insbesondere Amphibien- und Fischknochen, aber auch Schnecken und Muscheln betroffen.

Die Bearbeitung des Faunenmaterials wird bei Terra Mare ausschließlich durch ausgebildete Archäozoologen durchgeführt. Die Ergebnisse legen wir wunschgemäß als Berichte oder publikationsfähiges Manuskript vor. Alle Aufträge werden nach den Standards des Archäozoologenverbandes qualitativ hochwertig durchgeführt.

Hilfreich ist auch das standardmäßig erhobene Knocheneinzelgewicht (KNG). Es lässt Rückschlüsse auf das absolute und relative Fragmentgewicht und auf den Grad der Fragmentation (anthropogene Zerschlagung) einer Tierart zu. Weiterhin kann über das KNG die (verbrauchte) Fleischmenge eingeschätzt werden. Zusammen mit der Ermittlung der Fleischwertklassen und Hochrechnungen zum Kalorienbedarf erhält man so eine Vorstellung von der Wirtschaftsweise und dem Herdenmanagement in einem Siedlungsareal (Ewersen et al. 2013).

Beispiel: Auswertung der Mindestindividuenzahlen (MIZ) an Knochenfunden aus der neolithischen Siedlung Heidmoor, Kr. Segeberg.

MIZ Biber
MIZ Hausrind

Durchgezogenen Linie: Mindestindividuenzahlen an Skelettresten vom Biber (links) und Hausrind (rechts). Gepunktete Linie: Gleitender Durchschnitt. Man erkennt deutlich die Unterschiede zwischen den Einzelwerten an Skelettelementen von Bibern und denen vom Hausrind. Auf der Grundlage dieser Kurven besteht der Verdacht, dass Biberskelette aus unbekannten Gründen im Grabungsareal nicht vollständig vorliegen, während die Verteilung beim Rind die Vermutung zulässt, dass die wichtigsten Knochen dieser Skelette gleichmäßig vorhanden sind. (Grafik Ewersen)

Die Mindestindividuenzahl (MIZ) wird aus dem häufigsten Skelettelement einer Körperseite einer Tierart ermittelt. Ein Beispiel: Sind in einem Material beispielsweise mindestens 8 rechte und 14 linke Humeri (Oberarmbeine) einer Tierart vorhanden, so müssen im klassischen Sinne auch mindestens 14 Individuen dieser Tierart im Grabungsbereich vorhanden gewesen sein. Dieser Parameter ist allerdings nur eingeschränkt zu bewerten. Er sagt nichts darüber aus, ob sich 14 Tiere oder nur 14 Vorderläufe im Grabungsareal befanden. Sofern die Fragmentation es zulässt, empfehlen wir daher die Ermittlung der MIZ an allen Skelettelementen einer Tierart unter Berücksichtigung des Fehlers des Mittelwertes bzw. der Standartabweichung (Ewersen 2007, 192). Dann kann dieser Parameter auf Unterschiede zwischen Tierarten aufmerksam machen (s. Abbildungen oben).

Das Vermessen von Knochen liefert Ergebnisse zu den Körpermaßen einzelner Tierindividuen. Anhand standardisierter Meßstrecken werden Längen- und Breitenwerte je nach Tierart mit einer Genauigkeit bis zu 0,1 mm abgenommen. Diese Meßwerte lassen fundortübergreifend Größenvergleiche, aber auch Vergleiche innerhalb eines Fundortes zu. Mit Hilfe bestimmter Meßstrecken können Widerristhöhen oder die Individualgrößen von Tieren einer Population aber auch Geschlechtsunterschiede und Artenunterschiede ermittelt werden (s. Abbildung unten).

Vergleich von Messwerten am Humerus der Erdkröte (Bufo bufo; blaue Signatur) und der Mittelmeer-Erdkröte (Bufo spinosus, rote Signatur) mit einem Skelettfund aus Sachsen.

Wirtschaft und Taphonomie

Kenntnisse über die Wirtschaftsweise und die Nahrungsnetze am Ausgrabungsort erhält man durch die Untersuchungen der anthropogenen Spuren an Skelettresten, der Isotopensignaturen sowie der pathologischen Ereignisse im Zusammenschluss mit den vorgenannten Basisdaten. Wertet man die Habitatansprüche von Wildtiere und insbesondere von wenig mobilen, standortgebundenen Organismen wie bspw. Kleinsäugern und Schnecken aus, erhält man Proxydaten zur Vegetation, zum Grad der Feuchte sowie zum Meso- wie auch Mikroklima am Ausgrabungsort. Des weiteren sind Aussagen zu Veränderungen in der Siedlungsstruktur sowie zur Bewirtschaftung von Flächen möglich.

Die Voraussetzung für die korrekte Beurteilung von Tierknochenfunden sind nicht nur Kenntnisse in der Anatomie. Besonders bei Fragen zur Subsistenzwirtschaft und Ökologie ist eine ganzheitliche Betrachtung der Indizien gefragt. Hierbei spielt das Hintergrundwissen zu den komplexen taphonomischen Vorgängen wie Sukzessionsstadien des Leichenzerfalls, der Leichenliegezeit sowie zu Einlagerungsprozessen (bspw. Bioturbation) eine entscheidende Rolle. Um diese Prozesse besser zu verstehen führt Terra Mare seit Jahren eigenständige Forschungen und Lehrveranstaltungen auf diesem Gebiet durch. Beispiele zu den Arbeiten sind in den Artikeln zum Fuchs in Qatar (Abb. unten links) und zu den Elchfunden in Schweden (Abb. unten rechts) veröffentlicht (Ewersen 2002 u. 2011).

Fuchs Qatar
Foto Ewersen
Elch Schweden
Foto Ewersen



Mit diesen Wissen ergänzen wir Ihre Grabungsdokumentationen und unsere archäozoologischen Bearbeitungen.

Taphonomische Feldschule in Dänemark

Taphonomie 1
Taphonomie 2

Häufig gehen bereits während der Ausgrabung Informationen zum Befund verloren. In der Feldschule wird den Teilnehmern vermittelt, welche Prozesse auf das archäologische Fundgut einwirken können, bevor sie endgültig im Bodengrund eingelagert werden. Das Bild zeigt die Dokumentation rezenter Kadaver von Seevögeln.

Anschauungs- und Unterrichtsmaterial

Replika

Auf Wunsch fertigen wir Skelettmaterial nach dem Vorbild archäologischer Funde an.

Links: Schädel eines Hausschweins, halbiert, mit Einblick in das Innere (B-Ware, z. B. 59,00 €), Fischwirbel und Repro eines neolithischen Knochenpfriemen.

Weitere Preise auf Anfrage.

Kursangebote

Der nächste Kurs Taphonomie: Opfer oder Abfall? findet voraussichtlich im Mai 2022 statt. Die Teilnehmerzahl ist auf 10 Personen begrenzt. Anmeldungen bitte an Terra-Mare.

Der Kurs umfasst vier Blocktage:

  • 1. Tag: Theoretische Einführung mit einer Materialübung
  • 2. und 3. Tag: Feldschule Römö, Termin nach Wetterlage
  • 4. Tag: Auswertung der Befunde

Teilnahmegebühren 160,00 € pro Person. Gruppentarif 120,00 € (mind. 10 Teilnehmer).

Haben Sie Interesse? Wir bieten Ihnen archäo(zoo)logischen Seminare oder Vorträge für Ihre Mitarbeiter, Vereinsmitglieder, StudentInnen oder Schüler. Bitte fragen Sie nach. Wir kommen gerne zu Ihnen.